Ems – Quellen zu Leporinus 9

Berichte an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt betreffend Haltung der Gottesdienste in Ems wegen Gefangenschaft des Pfarrer Leporinus im Luxemburg durch die Franzosen von Johann Henrich Vietor, Pfarrer zu Braubach; Johann Kaspar Münz, Diakon zu Braubach; Amtsverweser Johann Christian Kriegsmann

HHStAW Abt. 355 Nr. 125


Vorbemerkung: Nachdem der Emser Pfarrer Johannes Leporinus 1712 von den Franzosen nach Luxemburg verschleppt wurde, fühlen sich Nassau-Diez und Hessen-Darmstadt als Landesherren für die weitere Seelsorge in Ems getrennt verantwortlich. Das führt mitunter zu grotesken Vorfällen, die vor allem der Braubacher Amtskellner Johann Christian Kriegsmann und der dortige Diakon Johann Kaspar Müntz erleben, indem man sich gegenseitig am Halten der Gottesdienste zu hindern versucht (s. v. a. den Vorfall am 01.12.1712 in Ems). Ihre wöchentlichen Berichte, die sich erhalten haben, geben auch einen interessanten Eindruck auf die politische Stimmung dieser Zeit in Ems und sollen hier zukzessive ediert werden.


Johann Henrich Vietor, Pfarrer zu Braubach, an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

Braubach 1712 September 11

Nach der Gefangennahme des Emser Pfarrers Johannes Leporinus durch die Franzosen, überträgt der Braubacher Pfarrer Johann Henrich Vietor dem Präzeptor [ein Lehrer] Linck zu Ems am 9. September 1712 die Haltung des Gottesdienstes. Als Vietor den Brief an Linck versiegelt hatte, wird ihm ein beiliegender Brief des Inspektors zu Nassau eingehändigt, in dem dieser sich ebenfalls die Haltung des Emser Gottesdienstes anmaße. Vietor antwortete diesem darauf, dass Präzeptor Linck am bevorstehenden 16. Sonntag nach Trinitiatis den Gottesdienst halten solle, würden jedoch Sakramente zu spenden sein, könne dies der Dausenauer Pfarrer als nächster Nachbar tun. Hierüber möchte Vietor einen „Verhaltungsbefehl“ vom Fürsten erhalten, den er verbreiten wolle. Da aber der Braubacher Amtskellner gestern von Ems kam und berichtete, dass der Inspektor zu Nassau den Dausenauer Pfarrer für die Predigt in Ems bestellt hätte und die Diezischen den Linck noch nicht als Präzeptor anerkennen und nicht auf die Kanzel lassen würden, habe Vietor den Braubacher Kaplan Müntz heute früh nach Ems geschickt, den Gottesdienst vor- und nachmittags zu halten. Dieser habe aber gesehen, wie sich der Dausenauer Pfarrer auch eingestellt hatte, offenbar mit dem Ziel zu predigen, falls Präzeptor Linck predigen sollte. Wenn keine andere Verordnung komme, werde Linck kommenden Sonntag die Predigt halten. Sollte dies aber keine Zustimmung finden, müsste man noch vor Sonntag benachrichtigt werden. Für die Zukunft wäre es am besten, den Präzeptor zum Kaplan zu ernennen, dann hätte man keinen Vikar nötig. Dies habe Vietor dem Hofprediger bereits mitgeteilt.

Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!

Euer Hochfürst[liche] Durch[laucht] werden den sehr kläglichen casum, welche die gute Embser betroffen hat, mitleidend vernom[m]en haben. Nachdem nun auch jhr Seelen-Sorger H[err] Pfarrer Leporinus gefangen weggeführet und also dadurch die Pfarr Embs ad interim vacirend worden ist, so habe ad interim den praeceptori Lincken zu Embs die Verwaltung des Gottesdienstes daselbst den 9ten hujus übertragen. Als ich den Brieff versiegelt hatte, wird mir der beyliegende des inspectoris zu Nassau eingehändiget, der sich auch der Bestellung des Emser Gottesdienstes anmasset. Ich antworte ihm darauf, daß den instehendt 16 Sonntag p[ost] Trinit[atis] der Praeceptor Linck den Gottesdienst verrichten solte, wan aber ein casus nesessitatis wegen Administrirung der Sacramenten vorfallen solte, so könnte der proximus vicinus zu Dausenau solche administriren. Unterdeßen würde ich darüber gnädigsten Verhaltungs-Befehl von Ew[er] Hochf[ürstlichen] Durch[laucht] erhalten, den ich com[m]uniciren wolte. Als aber unser Ambtskeller gestern von Embs kam und referirt, daß der Inspector zu Nassau den Dausenauer Pfarrer zu Embs zu predigen bestellet hätte, die Dietzische aber den Lincken noch nicht als einen Praeceptoren erkennen, so würden sie ihn auf die Cantzel nicht laßen, dannenhero habe unsern Caplan H[errn] Müntzen heut frühe hinüber geschickt, der den Gottesdienst Vor- und Nachmittag bestellet. Er hat aber gesehen, daß der [pag.] Pfarrer zu Dausenau sich auch eingestellet hatte, sonder Zweiffel zu dem Ende, daß er die Predigt thun solte, wan sich der Praeceptor Linck derselben unterziehen würde. Sonsten ists gewiß, daß er künfftigen Sonntag, wan keine andere Verordnung kombt, zu Embs die Predigt ablegen wird. Wan aber solches nicht recessmäßig seyn solte, so müste durch einen expressum noch vor Sonntag uns gnädigst notificiret werden. Diese Incommdität aber jetzo und künfftig abzuwenden, wäre kein bessers Mittel, als den zeitigen praeceptorem zum Caplan zu ordiniren, so hätte man hinfüro keines vicarij nötig. Diese unterthänigste unmaßgebliche Vorstellung habe dem H[errn] Hoffprediger ausführlich dargestellet,der darüber gnädigst zu vernehmen ist. Womit Ew[er] Hochf[ürstliche] Durch[laucht] göttlichen Allmacht Schutz zur gesegneten Regierung beständig empfehle verbleibende zu seyn. Eurer Hochfürst[lichen] Durchleücht unterthanigster Vorbitter bey Gott. M[…] Joh[ann] Henrich Vietor

Braubach, den 11ten Sept[embris] 1712.


Johann Henrich Vietor, Pfarrer zu Braubach, an Philipp Bindewald, Hofprediger und Kosistoriale zu Darmstadt

Philipp Bindewald: Oberhofprediger; gt. 31.12.1657 Echzell (Wetteraukreis), + 25.10.1735 Darmstadt
https://gw.geneanet.org/metzieder?lang=en&pz=erika+elisabeth&nz=metzieder&p=philipp&n=bindewald

Braubach 1712 September 11

Dem Herrn Hofprediger ist es sicher zu Ohren gekommen, dass der Emser Pfarrer Leporinus nach dem Einfall der Franzosen durch diese gefangengenommen und weggebracht wurde. Hierdurch sei die Pfarrstelle vakant geworden. Vietor dachte, die Bestellung des Gottesdienstes käme Hessen-Darmstadt alleine zu und habe an den Präzeptor Linck zu Ems geschrieben, dieser solle den Gottesdienst dort zwischenzeitlich halten, bis Vietor ein weiterer „Verhaltungsbefehl“ von Darmstadt zukäme. Vietor erhält indessen einen Brief des Inspektors zu Nassau, in dem sich dieser das Vikariat zu Ems anmaße und vorsorglich den Dausener Pfarrer zur Predigt in Ems bestellt hatte. Vietor antwortete ihm, er hätte schon dem Präzeptor zu Ems die Sonntagspredigt übertragen, im Bedarfsfalle könnte der Dausenauer die Sakramente spenden, da er nächster Nachbar sei. Nachdem aber Präzeptor Linck von diezischer Seite nicht anerkannt werden will, so habe Vietor heute den Braubacher Kaplan Müntz nach Ems geschickt, der dort den Gottesdienst versehen hat. Hätte er es nicht getan, hätten die Diezischen ihn bestellt. Für die Zukunft erwartet Vietor weitere Befehle. Dem Fürsten habe er empfohlen, Präzeptor Linck zum Kaplan zu ernennen, somit hätte man einen Vikar. Ansonsten sei der Dausenauer Pfarrer seit langer Zeit ständiger Vikar in Ems gewesen, da er in der Nähe wohne und Pfarrer und Kaplan hätten sich nie dagegen beschwert. Der Braubacher Vikar hätte einen mühsamen Weg hinüber nach Ems und derjenige, der zurückbliebe, müsse den Gottesdienst doppelt abhalten. Wenn aber der Emser Präzeptor zugleich Kaplan wäre, so hätte man in ihm immer einen Vikar und es würde kein Streit von der Mitherrschaft deswegen zu fürchten sein. Vietor glaubt, die Diezischen würden Linck auch gerne zum Kaplan ordinieren und bittet, der Hofprediger möge diese Angelegenheit der fürstlichen Herrschaft vortragen, da Linck tauglich sei und ihm eine Gemeinde anvertraut werden könne.

Hochehrwürdiger, andächtiger und hochgelährter, insonders hochgeehrter Herr Hoffprediger!

Euren Hochehrwürden wird der lamentable Zufall der guten Embser zu Ohren gekom[m]en seyn, durch solche schädliche frantzoische Invasion ist H[err] Leporinus, der Pfarrer, gefangen weggeführet, damit aber auch leyder! ad interim die Pfarr Embs vacirend worden. Ich dachte, die Bestellung des Gottesdienstes käme uns alleine zu, dahero an H[errn] Lincken zu Embs schriebe, er solle den Gottesdienst ad interim, biß weiterer Verhaltungs-Befehl mir von Darmstatt gnädigst zustünde, verwalten. Allein in dem ich dieses schreibe, wird mir ein Brieff von dem Inspectore zu Naßau gereichet, welcher sich auch des Vicariats zu Embs anmaßete und schon eventualiter den Pfarrer zu Dausenau daselbst zu predigen bestellet hatte. Ich antwortete ihm, ich hätte allschon dem praeceptori zu Embs die Sonntags-Predigt übertragen, in casu nesessitatis aber könte der Dausenauer die sacramenta administriren, weil er proxim[us] vicinus wäre. Nachdem aber der Praeceptor Linck von Dietzischer Seiten vor keinen Praecept[or] erkand werden wil, so habe heut unsern [pag.] Caplan H[errn] Müntzen hinüber geschickt, der den Gottesdienst verrichtet hat. Wan solches nicht geschehen, hätten die Dietzische solchen bestellet. Wie es künfftig ergehen werde, darüber erwarte gnädigsten Befehl. Seine Hochf[ürstlichen] Durch[laucht], unserm gn[ä]d[i]gsten F[ürst] u[nd] H[errn], habe in Unterthänigkeit den Praeceptorem Lincken recommendiret, ihn zum Caplan zu ordiniren, damit hätte man an ihm einen Vicarium, sonsten ist doch der Dausenauer Pfarrer des Embs beständiger Vicarius von langen Zeiten her geweßen aus Ursach, er ist ihm nahe und der hiesige Pfarrer und Caplan haben sich nie nicht dargegen beschwehret, angesehen der hiesige Vicarius einen mühsamen Weg hinüber hat und der hier bleibet, mus einen doppelen Gottesdienst verwalten. Wan aber der zeitige Praeceptor zu Embs zugleich Caplan wäre, so hätte man im[m]erdar einen Vicarium an ihm und würde kein Streit wegen der Mitherrschafft darüber zu fürchten seyn. Ich glaube, die Dietzische würden jetzo den Lincken gerne auch zum Caplan ordiniren helffen. [pag.] Ew[er] Hochehrw[ürdige] bitte sehr, diese Angelegenheit, so zu Gottes Ehren und denen Zuhörern zum Trost gereichet, unserer gnädigsten fürst[lichen] Herrschafft in Unterthanigkeit vorzutragen, zumahlen H[err] Linck capabel ist, dem eine Gemeine könne anvertrauet werden. Womit Sie göttlichem Gnaden-Schutz beständig erlaße verbleibende zu seyn Eurer Hochehrwürden gebet- und dienstwilliger M[…] Joh[ann] Henrich Vietor.

Braubach, den 11ten Sept[embris] 1712.

Dem hochehrwürdigen, andächtigen und hochgelährten Herrn, Herrn Philippo Bindewaldt, hochfürst[lich] hessischen hochverordneten Hoffpredigern und Consistoriali, meinem geg[…] und hochgeehrten Herrn in Darmstatt.


Bericht des Amtskellners Johann Christian Kriegsmann an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

Johann Christian Kriegsmann: * 30.09.1673 Bechtheim, Rheinhessen; + 02.12.1727 Braubach; oo 03.01.1699 Wertheim mit Anna Katharina Stieff

Braubach 1712 Oktober 2

Nassau-Diez sei mit der Gottesdienst-Vertretung des Braubacher Diakons Müntz in Ems, solange Pfarrer Leporinus im Luxemburg in Gefangenschaft ist, nicht zufrieden und habe 50 hessen-kasselische Soldaten nach Ems geschickt und am heutigen Sonntag die dortige Kirche besetzen lassen, so dass niemand heraus oder herein könne. Nachdem der Sohn der Vögtin Hermann von dieser Sache einen Bericht nach Braubach geschrieben habe, der diesem Schreiben beiliege, habe dies Kriegsmann hiermit übersenden wollen.

Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!

E[uer] Hochfürst[lichen] D[urc]hl[auch]t wird sonder Zweiffel durch den hiesigen Pfarrer und Metropolitanum M. Vietor unterthänigst referiret werden, wasgestalten man fürst[lich] nassau-dietzischer Seiten mit der gemachten Veranstaltung, daß Zeit des Pfarrers Leporinus zu Embs annoch währender Gefangenschafft zu Luxembourg der Embser ordinari Gottesdienst durch den hiesigen Diaconum Müntzen versehen werden soll, nicht zufrieden ist, sondern sich vielmehr unterstanden habe, 50 hessen-casselische Soldaten nacher Embs zu schicken und heut sontags die Kirch daselbsten besetzen zu lassen, daß niemand auß- oder einkommen können.

Nachdem nun der Vögtin Hermannin Sohn mir von dieser Affaire eine solche Relation anhero geschrieben, wie der Original-Anschluß mit mehrerem besaget, alß habe solchen hierdurch unterthänigst übersenden sollen. In tieffster Devotion verharrend E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t unterthänigst-treugehorsamster Knecht Johann Christian Kriegsmann.

Braubach, den 2ten [Octo]bris 1712.


Bericht des Amtskellners Johann Christian Kriegsmann und Diakons Johann Kaspar Müntz an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

Braubach 1712 Oktober 30

Das Reskript des Fürsten habe man am 28.10.1712 um 2 Uhr in Ems erhalten und berichtet daraufhin, dass Diakon Müntz diesen Sonntag (23.10.1712) den Gottesdienst daselbst ohne Behinderung von Nassau-Diez ordnungsgemäß verrichtet und zugleich das hl. Abendmahl gehalten habe. Am letzten Freitag, am Gedenktag der Apostel Simon und Judas (28.10.1712), habe man keinen Gottedienst dort verrichtet, da man 4 Tage lang hätte dableiben müssen und die Umstände zur seit solche sind, dass man sich in Gefahr begebe, indem man eine so lange Zeit in diesem „unglücklichen offenen Ort“ verharre. Deswegen habe man am Sonntag vor 8 Tagen (23.10.1712) den Simon-Judas-Tag mitfeiern lassen und der Diakon habe das für diesen Tag angeordnete Festevangelium in der Nachmittagspredigt erläutert. Dessenungeachtet sei am letzten Freitag (28.12.1712) der Pfarrer von Dausenau nach Ems gekommen und habe eine Predigt gehalten. Man sei also heute (30.12.1712) im Gottedienst ungestört geblieben, fürchte aber, dass in 8 Tagen die Nasssau-Diezischen wieder ihre Spielchen treiben werden.

Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!

E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t gnädigstes Rescript vom 28ten hujus haben wir heut nachmittags umb 2 Uhr in Embs erhalten und berichten darauff unterthänigst, daß der Gottesdienst daselbsten diesen Sonntag von mir, dem Diacono, sonder eintzige dietzischer Seiten vorgekehrte Hinderung behörig verrichtet und zugleich das H[eilige] Abendmahl gehalten.

Wir haben am nechstverwichenen Freytag, alß am Gedächtnuß der beyden Apostel Simonis und Judæ von deßwegen zu Embs keinen Gottesdienst angestellet, weilen wir 4 Tag lang hetten allda bleiben müssen, die Conjuncturen indessen noch so beschaffen sind, daß man sich eben nicht wohl hazardiren darff, eine so lange Zeit in diesem unglücklichen offenen Ort zu verharren. Dannenhero haben wir heut sonntags vor 8 Tagen den Simon-Judæ-Tag mitfeyern lassen und habe ich, der Diaconus, das auff solchen Tag verordnete Fest-Evangelium [pag.] in der Nachmittagspredigt damahlen erkläret. Dessen ohngeachtet ist am nechtsverwichenen Freytag der Pfarrer von Daussenau nacher Embs gekommen und hat eine Predigt abgeleget. Wir sind also deßwegen heute im Gottesdienst ohngestört geblieben, förchten aber, daß über 8 Tag die Dietzische unß wieder Eintrag thun werden. Im Übrigen wird unserer untherthänigsten Schuldigkeit nach unß obliegen vorermeltem E[uer] Hochfürst[lichen] D[urc]hl[auch]t gnädigstem Rescript in allem gehorsamst nachzukom[m]en alß E[uer] Hochfürst[lichen] D[urc]hl[auch]t unterthänigst treugehorsamste Knechte Johann Christian Kriegsmann, Joh[ann] Casp[ar] Müntz

Braubach, den 30ten [Octo]bris 1712


Bericht des Amtskellners Johann Christian Kriegsmann und Diakons Johann Kaspar Müntz an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

Braubach 1712 November 6

(präs. Darmstadt 1712 November 8)

Betreffend des heute in Ems gehaltenen Gottesdienstes berichten Kriegsmann und Müntz: Nachdem sich letzten Montag (24.10.1712) eine feindliche Partei Braubach genähert und die Stallungen des Johann Georg Brückmann vor dem Rheintor an der Kirche in Brand gesteckt habe, man auch Nachricht hatte, dass sich auf den zwischen Braubach und Ems gelegenen sogenannten welschen Höfen einige Leute, die man für Franzosen hielt, haben sehen lassen, so trug man Bedenken, sich durch die „Hinüber-Reise“ in Gefahr zu bringen, zumal dem nassau-diezischen Vogt selbst nicht zu trauen sei, sondern zu befürchten ist, dass dieser an seinem Ort allen Vorschub leiste, damit die Braubacher unversehens einmal vom Feind überfallen würden. Deswegen gab man dem Präzeptor Linck zu Ems den Auftrag, den Gottesdienst zu verrichten. Dieser habe sich dazu auch willig erklärt und berichtete letzen Samstag Nacht (31.10.1712), dass auch 2 Kinder zu Ems getauft wären. Da das Pferd des Amtskellners an diesem Samstag durch einen unglücklichen Zufall ausgefallen war und er auch kein anderes habe bekommen können, habe sich Diakon Müntz bei Tagesanbruch auf den Weg gemacht, um zur gewöhnlichen Zeit, wo der Gottedienst beginnt, in Ems anzukommen. Jedoch war der Pfarrer von Dausenau, der sich mit seinem Schulmeister und dem Oberschultheiß Franckenfeld von Nassau schon vor Tagesanbruch in der Kirche postiert hatte, bereits mitten in der Predigt, die er aber in ungewöhnlicher Kürze beendete und sich eilends aus dem Staub machte, vermutlich aus gleicher Furcht vor dem Feind. Der Diakon ließ sofort ebenfalls zur Kirche läuten, hielt ein Predigt und verrichtete die heilige Taufe an den 2 Kindern und habe den Zuhörern kundgetan, daß diejenigen, die vor 8 Tagen nicht beim heiligen Abendmahl waren, gehen können und sich nächsten Sonntag hierzu wieder einfinden sollen, da man bei zu befürchtender nassau-diezischer Behinderung und dass sich der Dausenauer Pfarrer auch vor den Altar stellen möchte, nicht vorher verkündigen darf. Obwohl die Reise nach Ems bei den gegenwärtigen Umständen für beide sehr gefährlich sei, da man jede Stunde befürchten müsse, vom Feind überfallen zu werden und von ihm diese jeden Sonntag vorzunehmende Reise leicht ausgekundschaftet werden könne und durch 2 oder 3 bewaffnete Männer ihrer habhaft würde, will man sich weder in dieser noch in anderen größeren Gefahren weigern, alles das zu tun, wozu man durch Befehl und Gehorsam verbunden sei, habe jedoch für nötig befunden, dies alles zu berichten und um einen weiteren „Verhaltungsbefehl“ zu bitten, damit man beim nächsten Zwischenfall, den Gott verhüte, man keines allzu kühnen und unbedachtsamen Unternehmens beschuldigt werden möge.

Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!

Wegen des heut sonntags gehaltenen Embser Gottesdienstes erstatten E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[aucht] wir hiermit folgende unterthänigste Relation: Nachdem bekantermaßen am nechstverwichenen Montag zu Nacht eine feindliche Parthey sich der hiesigen Statt genähert und des Johann Georg Brückmanns vor dem Rhein-Thor an der Kirch stehende Stallungen in Brand gesteckt, auch man Nachricht hatte, daß sich hin und wieder auff denen zwischen hier und Embs gelegenen sogenanten welschen Höffen einige Leute, die man vor Frantzoßen gehalten, sehen lassen, alß trugen wir Bedencken, unß durch die Hinüber-Reyße in Gefahr zu setzen, zumahlen dem dietz[ischen] Vogten selbsten nicht zu trauen, sondern zu beförchten ist, er möchte an seinem Ort allein Vorschub thun, damit wir einmahl ohnversehens von dem Feind überfallen würden. Dannenhero gaben wir dem Praeceptori Lincken zu Embs Commission, den Gottesdienst zu verrichten. Derselbe hatte sich auch darzu willig erkläret, berichtete unß aber nechtsverwichenen Sambstag in der Nacht, daß auch 2 Kinder zu Embs getaufft wären.

Weilen nun ich, [pag.] der Ambtskeller, eben selbigen Sambstag einen übelen Zufall an meinem Pferd bekom[m]en, daß mich dessen nicht bedienen, auch sonsten keines bekom[m]en können, so habe ich, der Diaconus, mich mit anbrechendem Tag heute auff den Weg gemacht und bin umb die gewöhnliche Zeit, da man den Gottesdienst anzufangen pfleget, zu Embs ankom[m]en. Es ware aber der Pfarrer von Daussenau /: welcher sich nebst seinem Schuhlmeister und dem Oberschultheiß Franckenfeld von Nassau schon ehe der Tag angebrochen, in die Kirch postirt gehabt: / bereits in der Predigt begriffen, hat aber dieselbe gar bald mit einer ungewöhnlichen Kürtze beschlossen und sich eylends /: vermuthlich auß gleichmäßiger Furcht wegen des Feindes :/ wieder auß dem Staub gemacht. Ich liese sofort ebenfalls zur Kirchen laüten, hielte eine Predigt und verrichtete die H[eilige] Tauff an denen 2 Kindern, habe annebst denen Zuhörern kund machen lassen, daß diejenige, welche heut 8 Tag nicht zum H[eiligen] Abendmahl /: gestalten man solches wegen des dietzischerseits zu besorgen stehender Verhinderung und daß sich der Daussenauer Pfarrer etwa auch vor den Altar stellen möchte, nicht vorher verkündigen darff :/ gehen können, sich nechst- [pag.]-künfftigen Sontag dabey einstellen möchten.

Gleichwie aber, Durchleuchtigster, gnädigster Fürst und Herr, die Reyße nacher Embs bey gegenwärtigen Conjuncturen, da wir alle Stund beförchten müssen, von dem Feind überfallen zu werden, vor unß beyde sehr gefährlich, in deme der Feind diese, alle und jede Sonntag von unß vornehmende Reyße gar leicht außkundschafften, ja gar nicht fehlen kann, mit 2, 3 bewehrten Mann unß zu erhaschen, also wollen wir unß zwar keineswegs, weder in dieser noch in andern viel größeren Gefahren weigern, dasjenige zu vollbringen, worzu E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t gnädigster Befehl und unser unterthänigster Gehorsam unß verbindet, haben jedoch vor nöthig ermessen, solches alles nachmahlen hierdurch unterthänigst vorzustellen und fernern gnädigstens Verhaltungs-Befehl gehorsambst außzubitten, damit bey hiernechst unß etwa begegnendem Zufall /: den Gott verhüte :/ wir keines allzu kühnen, unbedachtsamen Unternehmens beschuldiget werden mögen. Die wir in tieffster Devotion verharren E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t unterthänigst treugehorsamste Knechte Johann Christian Kriegsmann, Joh[ann] Casp[ar] Münz.

Braubach, den 6ten [Novem]br[is] 1712

Dem Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ernst Ludwigen, Landgraffen zu Hessen, Fürsten zu Herßfeld, Graffen zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain, Nidda, Schaumburg, Isenburg und Büdingen, unserm gnädigsten Fürsten und Herrn. Zum fürst[lichen] geheimen Raht.

Präsentiert Darmstadt, den 8. November 1712.


Bericht des Amtskellners Johann Christian Kriegsmann und Diakons Johann Kaspar Müntz an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

Das Reskript des Fürsten vom 11.11.1712 betreffend den Emser Gottesdienst habe man erbrochen und daraus ersehen, dass man ungeachtet aller feindlichen Gefahren, den Gottesdienst in Ems weiterhin verrichten und sich nötigenfalls 3 bis 4 Musketiere zum Schutz auf dem Weg nach Ems mitgeben lassen solle. Obwohl man zuversichtlich ist, dass im Unglücksfall die fürstliche Hilfe nicht fehlen würde, und man dem Befehl in allem nachkommen werde, so antworte man darauf, warum der Gottesdienst am Fest Simon und Judas in Ems unterblieben sei, dass man bereits im Bericht vom 30.10.1712 angeführt habe, wie man diesen Feiertag am Sonntag, den 23.10.1712 mitgehalten habe und das Festevangelium vom Diakon in der Nachmittagspredigt erläutert wurde, da man sonst wegen dieses Feiertages und des folgenden Sonntages 4 Tage in Ems in nicht geringer Gefahr hätte bleiben müssen. Inzwischen sei der heutige (13.11.1712) Gottesdienst zu Ems von Diakon Müntz ohne Widerspruch gehalten worden, am gestrigen Sonnabend eine Leichenpredigt und eine Beichtsermon, und heute sonntags wiederum 2 Predigen und das hl. Abendmahl.

Braubach 1712 November 13

Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!

E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t sub dato 11 hujus an unß erlassenes, den Embser Gottedienst betreffendes gnädigstes Rescript haben wir mit unterthänigster Reverenz erbrochen und darauß ersehen, das E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t gnädigster Will seye, aller etwa anscheinender feindlicher Gefahr ohngeachtet, unß die Verrichtung des besagten Embser Gottesdienstes angelegen seyn, auch unß nöthigenfalls 3 bis 4 Mousquetier in dem Hinüberreyßen beygeben zu lassen.

Gleichwie nun in der unterthänigsten Zuversicht, daß auff einen unglücklichen Fall E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t hohe Gnade und kräfftige Hülffe unß nicht entstehen wird, wir keineswegs verfehlen werden, dero gnädigstem Befehl in allem unterthänigst nachzukommen, also haben wir, warumb auff den Gedächtnuß-Tag Simonis und Judæ die Verrichtung des Gottedienstes zu Embs unterblieben? in dem unterm 30 [Octo]bris jüngsthin erstattetem unterthänigsten Bericht bereits [pag.] angeführet, daß nemblichen solcher Feyertag sonntags den 23ten [Octo]bris zugleich mitgehalten und von mir, dem Diacono in der Nachmittagspredigt das Fest-Evangelium erkläret worden, gestalten wir sonsten wegen dieses Feyer- und darauff folgenden Sonntags 4 Tag lang zu Embs in nicht geringer Gefahr hetten verbleiben müssen.

Immittelst ist der heutige sonntägliche Gottesdienst zu Embs von mir, dem Diacono, ohne eintzige Wiedersprechung, auch gestern sonnabends eine Leichpedigt und Beicht-Sermon, heut sonntags aber wiederumb 2 Predigten und dabey zugleich das h[eilige] Abendmahl nachmahls gehalten worden.

Welches wir hiermit unterthänigst berichten sollen, in tieffster Devotion verharrend E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t unterthänigst treugehorsamste Knechte Johann Christian Kriegsmann, Johann Caspar Müntz.

Braubach, den 13ten [Novem]br[is] 1712


Bericht des Amtskellners Johann Christian Kriegsmann und Diakons Johann Kaspar Müntz an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

Braubach 1712 November 20

(präs. Darmstadt 1712 November 22)

Am gestrigen Sonnabend [19.11.1712] sei man „bei guter Tageszeit“ in Ems angekommen, habe sich die ganze Nacht wachsam gehalten und zur Vorsorge, damit die Nassau-Diezischen infolge des weggenommenen Kirchenschlüssels die Tür nicht öffnen können, ein Blech vor das Schlüsselloch schrauben lassen. Um 3 Uhr früh habe man sich in die Kirche begeben und ließ sich in einem eisernen Kroppen ein Kohlefeuer machen, um vor der Kälte etwas geschützt zu sein. Man blieb also etwa 4 Stunden bis um 7 Uhr, als es Tag wurde, in der Kirche, wurde in dieser Zeit nicht angesprochen und ließ dann zum Gottesdienst läuten. Dann aber kam der Pfarrer von Dausenau schnaufend und schnaubend in die Kirche gelaufen, legte vermeintlichen Protest ein und beklagte sich, dass ihm ohnehin durch das lange Sitzen in der feuchten und kalten Emser Kirche ein „Fluss in den Kopf gekommen“ sei, womit er 4 Wochen lang zu tun hatte, und sagte anbei, er wollte den Gottedienst nicht stören, sondern vielmehr seinen göttlichen Segen dazu geben. Man antwortete ihm, dass man seinen unbegründeten Protest nicht entgegen nehmen könnte und protestierte ebenfalls, dass dieser sich unterstehe die hessen-darmstädtische Herrschaft an ihrem zustehenden Recht hindere, und man verwundere sich umso mehr, dass er sich als ein dreiherrischer Pfarrer, dem Nassau-Diez einseitig nichts zu befehlen hätte, so große Mühe und Beschwerden (Ungelegenheiten) antue. Er antwortete: Das fürstliche Haus zu Nassau-Dietz sei auch seine Herrschaft und er habe sich berichten lassen, dass seine Vorgänger hiervor das Gleiche taten und sich mit dem Pfarrer von Dachsenhausen Amts Braubach haben abwechseln müssen. Man ersuchte den Pfarrer daraufhin, das Dokument, auf das man sich auf nassau-diezischer Seite wegen der abwechselnden Vertretung beziehe, in nächster Zeit und in rechtskräftiger Form den betreffenden Stellen mitzuteilen, was er auch versprach und dann unverrichteter Dinge seinen Rückmarsch nach Dausenau antrat. Inzwischen habe der Diakon den zweimaligen Gottedienst in der Kirche ordnungsgemäß verrrichtet, sei man gemeinsam wieder nach Braubach gelangt und habe diesmal die Verrichtung des Gottedienstes noch geglückt. Wie es aber künftig ergehen wird, zumal wenn die Kälte weiter eindringe und man von ihr aus der Kirche getrieben werde, müsse sich zeigen.

Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!

E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t berichten wir hiermit unterthänigst, daß es mit dem heut sonntags zu Embs verrichtetem Gottesdienst folgendergestalt zugegangen: Gestern sonnabends sind wir bey guter Tageszeit in Embs ankommen, haben unß die gantze Nacht über wachsam gehalten, zur Vorsorge aber, damit die Dietzische durch den weggenom[m]enen Kirchenschlüssel die Thür nicht eröffnen können, ein Blech vor das Schlüsselloch schrauben lassen. Umb 3 Uhr des morgens früh begaben wir unß in die Kirch und ließen unß in einem eyßernen Kroppen ein Kohlfeuer machen umb vor der Kälte in etwas verwahret zu seyn. Wie blieben also etwa 4 Stunden, biß umb 7 Uhr, da es Tag worden, in der Kirchen, hatten diese Zeit über keinen Anspruch und liesen sofort ein Zeichen zum Gottesdienst laüten. Endlichen aber kam der Pfarrer von Daussenau schnauffend und schnaubend in die Kirch gelauffen, legte seine vermeintliche Protestation ab und beklagte sich, daß ihme ohnlängsthin [pag.] durch das lange Sitzen im der Embser feuchten und kalten Kirchen ein Fluß in den Kopff gekom[m]en, daß er bey 4 Wochen damit zu thun gehabt, sagte anbey, er wolte unß im Gottedienst nicht stören, sondern vielmehr gött[lichen] Seegen darzu anwündschen. Wir antworteten demselben, daß wir seine ungegründete Protestation nicht annehmen könten, reprotestirten vielmehr, daß er sich untertstünde, die hochfürst[liche] g[nä]d[i]gste Herrschafft in dero competirenden juribus zu hindern und bewunderte unß umb so mehr, daß er alß ein dreyherrischer Pfarrer und deme man an Seiten Nassau-Dietz einseitig nichts zu befehlen hette, so so große Mühe und Ungelegenheit anthun möchte.

E replicirte: Das fürst[liche] Hauß zu Nassau-Dietz seye gleichwohl seine Herrschafft und habe er sich berichten lassen, daß seine antecessores hiebevor dergleichen thun und mit dem Pfarrer von Dachsenhaußen Ambts Braubach alterniren müssen. Wir ersuchten ihn sofort, er möchte gehöriger Orten antragen, daß dasjenige Document oder Vergleich, worauff wegen sothaner Alternation man sich dietzischer Seiten beziehen wolte, mit nechstem in forma probante communiciret werden möchte, welche er zu thun [pag.] versprochen und sofort seinen Zurück-Marche unverrichteter Sachen nach Daussenau genom[m]en.

Inzwischen habe ich, der Diaconus, den 2mahligen Gottedienst in der Kirchen behörig verrichtet, sind sodann beederseits wieder anhero gereyßet und hat es und dießmahlen mit Verrichtung des Gottedienstes noch geglücket. Wie es aber künfftighin und zumahlen, wenn die Kälte weiters eintringen und uns auß der Kirchen des Nachts treiben solte, gehen wird, muß sich hiernechst eußern.

Wir verharren in tieffster Devotion E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]hl[auch]t unterthänigst treugehorsamste Knechte Johann Christian Kriegsmann, Johann Caspar Müntz.

Braubach, den 20ten [Novem]br[is] 1712

Dem Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ernst Ludwigen, Landgraffen zu Hessen, Fürsten zu Herßfeld, Graffen zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain, Nidda, Schaumburg, Isenburg und Büdingen, unserm gnädigsten Fürsten und Herrn. Zum fürst[lichen] geheimen Raht.

Präsentiert Darmstadt, den 22. November 1712.


Bericht des Amtskellners Johann Christian Kriegsmann und Diakons Johann Kaspar Müntz an Fürst Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

Braubach 1712 Dezember 1
(präs. Darmstadt 1712 Dezember 9)

Obwohl am letzten 1. Adventssonntag, den 27. November, der Gottedienst zu Ems vom Diakon ohne den geringsten Widerspruch von nassau-diezischer Seite gehalten wurde, so habe es hingegen gestern, am Gedenktag des hl. Apostels Andreas, umso seltsamere „Händel“ gegeben.

Man war wegen dieses Andreastages seit Samstag, den 26., zu Ems geblieben und hatte die zugesicherte Soldateneskorte deswegen nicht mitgenommen, weil man sich vor dem Feind sicher glaubte, da nunmehr von den Trierischen bei Niederlahnstein ein starker Posten gehalten wird und auch ein Regiment Hessens im Rheinfelsischen liegt. Man ließ dann Dienstag Nacht das gewöhnliche Blech vor das Schlüsselloch an der Kirchentür schrauben und verfügte sich morgens früh um 4 Uhr zur Kirche. Dort fand man den Pfarrer von Dausenau mit seinem Schulmeister und noch 2 Männern von Dausenau, sodann 3 hessen-kasselische Musketiere vom Posten zu Ems, die ihre Bajonette auf die Flinten gepflanzt hatten, vor der Kirche stehen. Das vorgeschraubte Blech bewährte sich diesmal vortrefflich, indem es verhinderte, dass der Dausenauer Pfarrer mit seinem Schlüssel zurecht kam und es hieß diesmahl bei ihm, wie der berühmte Poet der Hesse Euricius Cordus [genannt Eberwein, eigentlich Heinrich Ritze; * 1486 in Simtshausen bei Marburg; † 24. Dezember 1535 in Bremen] an einem bestimmten Ort schreibt: Venerat, et clausas viderat esse fores. Insertasque diu versans hinc indeque claves, non, ait, haec caeli, quae fuit ante, sera est.“ Der Amtskellner frage den Pfarrer, was die Musketiere zu bedeuten hätten, ob diese etwa die Verrichtung des Gottedienstes mit Gewalt verhindern wollten. Der Pfarrer beteuerte des Öfteren, dass er die Musketiere zu keinem anderen Zweck als zur Sicherung seiner Person mitgenommen habe und damit der Amtskellner nicht weiter zu argwöhnen hätte, ließ er die Soldaten gleich auf das Bad zurückmarschieren. Der Diakon stellte sich in das Portal an das Schlüsselloch und hielt sich am eisernen Ring an der Kirchentür fest. Der Amtskellner erteilte dann einem Braubacher Bürger, den man bei sich hatte, den Befehl die Tür zu öffnen, indem dieser dann sogleich das Blech mit einer Zange abschraubte und die Tür aufschloss. Worauf der Diakon sofort in die Kirche drang, den Pfarrerstuhl einnahm und die Tür daran verriegelte. Der Pfarrer von Dausenau mit seinen Leuten leistete nicht den geringsten Widerstand, sondern verlegte sich nur aufs Protestieren und blieb eine Zeit lang bei den anderen in der Kirche, da man sich außerhalb wegen des starken Windes nicht aufhalten konnte. Als der Tag anbrach, begab sich der Pfarrer auf das Bad, kam aber bald mit dem nassau-diezischen Vogt Gödeck wieder. Und damit begann der Krieg.

Der Vogt stürmte in die Kirche, plusterte sich gewaltig auf, dass man seinem gnädigsten unmündigen Prinzen die Rechte entziehen wolle, der doch der rechte Erbherr zu Ems sei und der Fürst von Hessen-Darmstadt die Hälfte nur als Pfandschilling besäße, warum man seinem Prinzen nicht auch das Haus und alles nähme. Er wolle versichern, dass man die hohen Rechte des Prinzen von Hessen-Kassel schon zu wahren wissen werde. Der Amtskellner antwortete dem Vogt, man täte von Seiten des hochfürstlichen Hauses Hessen-Darmstadt nichts anderes, als wozu man aufgrund der vorhandenen alten Akten und Dokumente von vielen Jahrhunderten her berechtigt und was durch Brauch und Herkommen begründet sei. Von dem angeblichen Pfandschilling wäre ihm nichts bekannt, dieser würde nach Inhalt der Verträge keineswegs eingestanden, da bereits der verstorbene Landgraf Philipp der Großmütige diesem widerspräche. Im Übrigen glaube er nicht, dass der Landgraf von Hessen-Kassel in Sachen, die sein eigenes Interesse mitbetreffen, seine Macht gegen den Fürsten von Hessen-Darmstadt gebrauchen oder ihn in Ausübung seiner Gerechtsame stören lassen würde. Wobei er die ganze Zeit den Gesprächspartner Gödeck mit „Vogt“ anredete. Dieser aber nannte den Amtskellner Kriegsmann einen „Kellervogt“. Dass Kriegsmann jedoch jedesmal darüber lachte, verbitterte Gödeck noch mehr, sodass zeitweise harte Worte zwischen beiden fielen. Der Vogt verlangte, da der Pfarrer von Dausenau als erster am Ort war, dass Kriegsmann diesem die Haltung des Gottesdienstes gestatte. Kriegsmann entgegnete, der Vogt solle nur in den Pfarrstuhl gucken, wer als erster am Ort gewesen wäre. Der Vogt antwortete, dass er den Braubachern ein für allemal den Gottesdienst nicht zulasse und dies auf jede Weise verhindern würde. Kriegsmann wendete ein, dass (auch) sie den Gottesdienst ein für allemal halten und die Verhinderung erwarten wollten. Als Kriegsmann dann das größte Kirchentor öffnete, befahl der Vogt den 2 Männern von Dausenau, es wieder zuzumachen. Kriegsmann sagte ihnen, sie sollten „sich nicht gelüsten lassen, dergleichen zu tun“ und stellte sich mitten in das Tor. Der Vogt wiederholte seinen Befehl öfters mit aller Ernsthaftigkeit, sodass die 2 Männer endlich jeder einen Torflügel ergriffen und es mit Hilfe des Vogts zudrückten. Kriegsmann wollte es zwar verhindern, aber die Macht war zu stark. Nachdem er aber seine Kraft verdoppelte, drang er hindurch, schmiss mit den Torflügeln links und rechts um sich und quetschte damit die 2 Männer auf beiden Seiten, dem Vogt aber gab er, indem er mit aller Macht in die Kirche eindrang und der Vogt gerade vor ihm stand, einen Stoß, sodass dieser zurückprellte. Der Vogt war hierüber sehr erzürnt und befahl den Leuten, sich diesen Vorfall zu merken. Kriegsmann entschuldigte sich: da der Vogt Gewalt gebrauchte und ihm die Tür habe zumachen lassen, habe er zur Gegengewalt greifen und die Tür wieder öffnen müssen, seine Absicht sei es nicht gewesen, ihn zu stoßen, er habe seinen starken Anlauf eben nicht unterbrechen können. Hierauf beorderte der Vogt die 2 Männer auf den Turm, um Herr über die Glocken zu sein und dem Glöckner am Läuten zu hindern. Dieses musste man alles geschehen lassen, das der Vogt an Männern überlegen war, der Amtskellner nicht überall Widerstand leisten konnte und der Diakon nicht aus dem Pfarrstuhl gehen durfte, da sonst die ganze Aktion verloren gewesen wäre. Obwohl Amtskellner und Diakon dem Glöckner mehrmals befohlen hatten, sein Amt zu verrichten und zur Kirche zu läuten, habe er es nicht getan und mehr das Verbot des Vogts beachtet, als das Gebot des Amtskellners und Diakons. Der Vogt beratschlagte sich inzwischen mit seinem Dausenauer Pfarrer und rief die 2 Männer vom Turm. Dann schickte man den dabei gehabten Bürger Philipp Becker hinauf, dem der Amtskellner, folgte und ließ ein Zeichen läuten. Der Vogt schrie: „Ich protestiere gegen dieses Läuten!“ Man störte sich aber an keinem Protest und läutete weiter. Nachdem sich der Vogt wieder beruhigt hatte, legte er auf gewöhnliche Art und Weise Protest ein, den der Amtskellner ordnungsgemäß entgegennahm, und hat daraufhin, nachdem er dem Glöckner das Läuten nochmals untersagt hatte, seinen Trupp weggeführt. Der Glöckner aber hat, nachdem der Vogt weggegangen war, das Läuten fortgesetzt und sein Amt verrichtet und der Diakon den Gottesdienst und zugleich dem monatlichen Bettag, wie es zu Ems und auch sonst gebräuchlich ist, ordnungsgemäß mitgehalten. Inzwischen habe man aus diesen Geschehnissen die Lehre gezogen, dass man künftig einige starke, zwar unbewaffnete, aber mit guten harten Fäusten ausgestattete Brüder mit nach Ems nehmen werde, damit man, falls es zum „Faustgemenge“ kommen sollte, nicht ganz ohne jegliche Hilfe sei.

Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!

Obwohlen am nechstverwichenen 1ten Advents-Sonntag, alß den 27ten [Novem]bris, der Gottedienst zu Embs von mir, dem Diacono in dasiger Kirchen sonder die geringste dietzischer Seiten unternommene Contradiction gehalten worden, so hat es hingegegen gestern alß am Gedächtnuß-Tag des h[eiligen] Apostels Andreæ desto seltsamere Händel gesetzet.

Wir waren umb dießes Andreæ-Tag willen seither Sambstag, den 26ten, zu Embs geblieben, hatten aber die unß gnädigst verordnete Escorte von Soldaten, umb deßwillen nicht mitgenommen, weilen wir davor gehalten, da nunmehro bey Niederlohnstein von denen trierischen eine starcke Postirung gehalten wird, auch ein Regiment Hessen im Rheinfelßischen lieget, vor dem Feind sicher zu seyn. Wir liessen sofort unser gewöhnliches Blech in der Dienstags Nacht vor das Schlüsselloch an der Kirch-Thür schrauben und verfügten uns des morgens früh umb 4 Uhr nach der Kirchen, fanden aber den Pfarrer von Daussenau nebst seinem Schuhlmeister und noch 2 Männern von Daussenau, sodann 3 hessen-casselische Mousque- [pag.] -tirer von der Postirung zu Embs, welche ihre Bajonnets in die Flinten gepflantzet hatten, vor der Kirchen stehen. Unßer vorgeschraubtes Blech aber kahme unß dießmahlen trefflich zustatten, indeme solches verhinderte, daß der Daussenauer Pfarrer mit seinem Schlüssel nicht zurecht kommen könte und hiese es dießmahlen bey ihme, wie der berühmte Poet Euricius Cordus Hassiacus an einem gewissen Ort schreibet:

Venerat, et clausas viderat esse fores. Insertasq[ue] diu versans hinc indeq[ue] claves, non, ait, hæc coeli, quæ fuit ante, sera est.“

Ich, der Ambtskeller, fragte den Pfarrer, was die Mousquetirer zu bedeuten hetten, ob selbige unß mit Gewalt von Verrichtung des Gottesdienstes abhalten solten? Der Pfarrer contestirte zum öffteren, daß er die Mousquetirer zu keinem anderen Ende, alß zu Sicherstellung seiner Person mitgenommen und damit ich nichts anderst deßfalls præsumiren möchte, liese er die Soldaten sogleich ab und auff das Baad zurückmarchiren. Ich, der Diaconus, aber stellte mich in das Portal nechst an das Schlüsselloch und hielte mich fest an den eyßernen Ring, der an der Kirchthür ware. Ich, der Ambtskeller, ertheilte dem hießigen Burger, den wir bey unß hatten, Befehl, die Thür zu [pag.] öffnen, welcher sogleich das Blech mit einer Zangen abschraubte und die Thür auffschlosse. Worauff ich, der Diacon, sofort in die Kirchen trange, den Pfarrersthuhl occupirte und die Thür daran verriegelte. Der Pfarrer von Daussenau mit seinen Leuten thaten nicht die geringste Resistenz, sondern behalffe sich bloß mit Protestiren und bliebe eine Zeit lang bey unß in der Kirchen, indeme man sich außerhalb wegen des ungestümen Windes nicht erhalten konte. Alß nun der Tag angebrochen, begabe sich der Pfarrer auff das Baad, kame aber bald nebst dem dietz[ischen] Vogt Gooedeck zurück und gienge damit der Krieg an.

Der Vogt stürmete in die Kirchen, machte sich gewaltig maußicht, daß man seinem gnädigsten unmündigen Printzen seine jura entziehen wolte, der doch der rechte Erbherr zu Embs seye, Ew[er] Hochfürst[liche] Durch[laucht] aber die Halbschied nur alß ein Pfandschilling besässen, warumb man seinem Printzen nicht auch das Hauß und alles nähme. Er wolle versichern, daß des Herrn Landgraffen zu Hessen-Cassel Hochfürst[liche] Durchl[auch]t dem Printzen seine hohe jura schon zu coserviren wissen würden. Ich, der Ambtskeller, antwortete dem Vogt, man thäte von Seiten des hochfürst[lichen] Haußes Hessen-Darmstatt anderst nichts, [pag.] alß worzu mann besag der vorhandenen alten Acten und Documenten von etlichen seculis her berechtiget und durch die bißherige Observanz gegründet seye. Von dem angeblichen Pfandschilling wäre mir nichts bewust, selbiger würde diesseits nach dem Inhalt der Verträg keineswegs eingestanden, da bereits Herr Landgraff Philippus Magnanimus hochsee[ligen] Andenckens solches contradiciret. Im Übrigen glaubte ich nicht, daß des Herrn Landgraffen zu Hessen-Cassel hochfürst[liche] Durch[laucht] in Sachen welche certo respectu dero eygenes Interesse mitconcernirten, gegen Ew[er] Hochfürst[liche] Durch[laucht] deroselben Macht gebrauchen, noch Sie in Exercirung dero Gerechtsamen turbiren lassen würden. Unter welchen Discursen ich dem Göedeck fort und fort das Vogtsprædicat beylegte. Er hingegen hieße mich einen Kellervogt. Weilen ich aber jederzeit darüber lachte, wurde er noch mehr verbittert, daß es zuweilen harte expressiones zwischen unß beyden gegeben. Der Vogt prætendirte, weilen der Pfarrer von Daussenau dießmahlen am ersten locum occupirt hette, so möchte ich ihme den Gottedienst zu verrichten gestatten. Wor- [pag.] -auff ich versetzte, er solte nur in den Pfarrstuhl gucken, so würde er sehen, wer am ersten locum occupirt habe. Er replicirte ferner, daß ein vor allemahl er absolute unß den Gottesdienst nicht zulassen, sondern solchen quovis modo verhindern würde. Ich regerirte, wir wolten ein vor allemahl absolute den Gottedienst halten und die Verhinderung von ihme erwarten. Alßdann ich, der Ambtskeller, das gröste Kirchen-Thor öffnete, befahl der Vogt denen 2 Männern von Daussenau, solches wieder zuzumachen. Ich sagte ihnen aber, sie solten sich nicht gelüsten lassen, dergleichen zu thun und stellte mich mitten in das Thor. Der Vogt aber wiederhohlte seinen Befehl zum Öfftern mit aller Ernsthafftigkeit, daß endlich die 2 Männer jeder einen Thorflügel ergriffen und solches mit Hülff des Vogts zutrückten. Ich wolte es zwar verhindern, die Force jedoch war zu starck. Nachdeme ich aber meine Krafft verdoppelte, trange ich durch, schmiße mit deren Flügeln lincks und rechts umb mich, quetschte damit die 2 Männer auf beyden Seiten, dem Vogt aber gabe ich, indeme mit alle Force zur Kirchen eintrange und er grad vor mir stunde, einen Stoß, daß er zurückprellte. Er fande sich hierüber sehr offendirt, [pag.] befahl den Leuten solches auffzumercken; ich excusirte mich aber, weilen er Gewalt brauchen und mir die Thür zumachen lassen, hette ich zur Gegengewalt schreiten und die Thür wieder öffnen müssen, meine Intention seye nicht geweßen, ihn zu stoßen, ich hette eben meinen starcken Lauff nicht unterbrechen können. Der Vogt beorderte hierauff die 2 Männer auf den Thurn, umb Meister von den Glocken zu seyn und dem Glöckner das Läuten zu verhindern; welches wir alles geschehen lassen musten, indeme der Vogt an Mannschafft unß überlegen ware, ich, der Ambtskeller auch nicht überall wehren kunte, ich, der Diaconus aber nicht auß dem Pfarrstuhl gehen dörffen, maßen sonsten die gantze Action wäre verlohren geweßen. Ob nun wohlen wir beyde dem Glöckner zum öfftern befohlen, sein Ambt zu verrichten und in die Kirch zu läuten, hat er solches dennoch nicht gethan, sondern mehr des Vogts Verbott alß unser Gebott in Acht genommen. Der Vogt berathschlagte sich inzwischen mit seinem Daussenauer Pfarrer und ruffte denen 2 Männern von dem Thurn. Wir aber schickten sobalden unsern bey unß gehabten Burger Philipß Beckern hienauff, dem ich, der Ambtskeller folgte, ließen ein Zeichen läuten. Der Vogt krische: „Ich protestire wie- [pag.] -der dießes Läuten!“ Wir aber kehrten unß an keine Protestation und laüteten fort. Alß endlichen der Vogt in seinem Eyffer relachiret, ist er mit seiner gewöhnlichen Protestation auffgezogen kommen, die ich ihme pro more beantwortet, und hat darauff, nachdem er dem Glöckner das Laüten nachmahlen untersaget, seinen Troupp abgeführet. Dießer aber hat, alß der Vogt weggegangen, das Gelaüt continiuiret und sein Ambt gethan, da dann ich, der Diaconus, den Gottesdienst und dabey, wie zu Embs und sonsten braüchlich, den monatlichen Bettag zugleich gebührend mitgehalten. Immittelst haben wir auß dießer Geschicht die Lehre gezogen, künfftighin noch einige, obwohl unbewehrte, jedoch mit guten harten Faüsten versehene starcke Brüder mit unß nach Embs zu nehmen, damit wir, wann es allenfalls ja zum Faustgemeng kommen soll, nicht gar ohne alle Hülff seyn mögen.

Womit wir in tieffster Devotion verharren.

E[uer] Hochfürst[liche] D[urc]h[laucht] unterthänigst treugehorsamste Knechte Johann Christian Kriegsmann, Joh[ann] Casp[ar] Müntz.

Braubach, den 1ten [Decem]bris 1712.

Dem Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ernst Ludwigen, Landgraffen zu Hessen, Fürsten zu Herßfeld, Graffen zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain, Nidda, Schaumburg, Yßenburg und Büdingen, unßerm gnädigsten Fürsten und Herrn. Zum fürst[lichen] geheimen Raht.

Präsentiert Darmstadt, den 9. Dezember 1712.


Letzte Änderung: 21. Mai 2019
Ralph Jackmuth